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Neuiahrsansprache zum Empfang der Evangelischen Jugend Gotha 2003

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Neujahrsempfang im Jugendkeller der Evangelischen Jugend Gotha

Liebe Freunde der Jugend, liebe Jugendfreunde, liebe Jugendliche, liebe Freunde,
das Jahr 2003 hat sang- und klanglos begonnen. Dem ging ein ebenso musikalisches Jahr 2002 voraus. Darauf können wir alle zurecht stolz sein. Unser Volk steckt in einer tiefen Krise. Auch das erfüllt mich mit Stolz und Zuversicht, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Wie äußert sich denn diese Krise?

Kaviar wird immer teurer und die Immobilien auf Grand Canaria sind kaum noch bezahlbar. Müssen wir mit unserem Kapital wirklich erst nach Asien gehen, damit Europa aufwacht?
Bei allen Problemen, die wir nicht lösen, geht es natürlich besonders um die Jugend. Sie ist schließlich unsere Zukunft und die sieht, wie wir alle wissen, nicht rosig aus. Dabei haben wir doch immer nur das Beste für unsere Jugend gewollt. Aber die Kinder von morgen sind eben undankbar, auch wenn sie das nicht gerne hören. Keiner ist mehr bereit, am Samstag Abend mit den Eltern und Großeltern gemeinsam „Wetten dass” zu gucken. Ja wo soll denn dann der Generationenkonflikt gelöst werden, wenn nicht vor dem Fernseher?.
Und meine Frage geht dabei nicht nur an die Teenies. Sollten wir nicht alle, jeder bei sich anfangen mit der Selbstkritik? Ich denke nein. Kritik ist gut und richtig, aber sie muss den Anderen auch sachlich und gezielt treffen. Wenn ich dem Kritisierten Gelegenheit zur Rechtfertigung gebe, dann mache ich alles nur noch schlimmer.
Liebe Freunde der Jugend, liebe Jugendfreunde, liebe Jugendliche, liebe Freunde,
das soll jetzt keine Selbstkritik sein. Das dürfen Sie von mir nicht erwarten. Wo kämen wir denn hin, wenn jeder zuerst an sich denken würde. Vielmehr sollte sich jeder im Neuen Jahr fragen: Was kann ich an meinem Nachbarn kritisieren? Wo müsste ich schon längst den Hebel angesetzt haben und was geht mir schon lange so auf den Kranz, dass ich diesen im Advent auch ohne Kerzen anzünden würde?
Nur wenn wir hier zu einer klaren und einheitlichen Linie kommen, können wir jedes Wachstum schon im Keim ersticken. Und darauf kommt es doch schließlich an, liebe Jugendfreunde und Freunde der Jugend. Auch wenn ich selbst nie in Eurem Alter war, so kann ich mir doch sehr gut vorstellen, wie es um Euch in zwanzig Jahren aussieht.
Bei aller Individualität kommt es doch zuerst und in allererster Linie und nicht zuletzt und vor allem auf die Gemeinschaft an. Wozu denn viel Geld ausgeben für teure Quartiere, wenn man auch mit vierzig Leuten in einem Zelt schlafen kann? Osternacht stelle ich mir in erster Linie und nicht zuletzt und vor allem so vor. Und auch wenn wir in die Ferne schweifen, muss das nicht mit niedrigem Aufwand verbunden sein, liebe Jugendfreunde und Freunde der Tugend, äähh der Jugend. Ein Wohnzimmer in Rumänien kann durchaus lauter sein als ein Zeltplatz in Spanien. Kleine Unterscheide müssen sein, liebe Räumer und Kluge. Auch wir wollen nicht alles gleich machen und so die ganze Gleichmacherei aus der unsäglichen Vereinheitlichung gleichmachender Regierender und Unterdrückter in der Vergangenheit wieder gleich und gleich wieder machen.
Schließlich sind auch wir Menschen nicht alle gleich. Das sollten wir uns endlich eingestehen. Die Forschung hat auf diesem Gebiet in den letzten Wochen und Tagen und auch Jahren und Monaten enorme Niederlagen einstecken müssen. Schauen wir nur auf Mann und Frau. Auch wenn sie sich auf den Kopf stellen, sich rumdrehen, ein Tuch drüber decken oder es in Gips gießen, sie werden nicht gleich, liebe Tugendbäume.
In diesem Zusammenhang kommen wir zu einem Thema, das thematisch gar nicht tief genug angesiedelt werden kann. Bei aller Hochstapelei und trotz aller Höhen, die wir nicht erreichen, müssen wir uns im Neuen Jahr eingestehen, die Jugendarbeit ist im Keller. Gotha und Haina wissen davon ein Lied zu singen, auch wenn sie gar nicht singen können, würden sie es tun, ob sie nun wollten oder nicht liebe Jugendräume und Räume der Jugend.
Unsere Arbeit findet aber nicht nur auf dem Holzweg statt, liebe Dufträumer. Ob Morlocks, Gipsfrauen oder Hasenkot, auf einem Landesjugendsonntag hat alles keine Berechtigung. Deshalb lasst uns mit unseren Figuren, die wir nicht brauchen, unsere Räume und Flure blockieren, bevor alles den Bach runter und in den Keller geht, liebe Flusenträume.
Nein, wir sind nicht auf dem Holzweg, liebe Leidende, vielmehr zieht uns der Kreuzweg mehr und mehr an. Und wer uns dabei beobachtet, der wird erkennen, dass wir von Jahr zu Jahr anziehender werden, liebe Modeschäume und Freunde der Klamotte.
Und zum Schluss, aber keinesfalls als Letztes, liebe Jugendfreunde, Waschbären und Textiltester, möchte ich zum Neuen Jahr ein für allemal mit einem Vorurteil aufräumen, das uns vielleicht in zwanzig bis dreißig Jahren ereilen könnte. Unsere Tugend ist nicht trotzig, äähh … unser Stufentrend ist nicht protzig, … nein … unsere Jugend ist nicht schmutzig, genau liebe Busenfreunde .-. unsere Jugend ist nicht schmutzig. Das haben wir im vergangenen Jahr unzulänglich nachgewiesen. Ein Kreuzgang voller Testergebnisse des Weißen Riesen sind da nur drei Beispiele, ganz zu schweigen davon, dass die Pfadfinder aus Neudietendorf ein ganzes Freibad bekommen haben, um ihre Reinlichkeit unter Beweis zu stellen.
Denn, und das sollten wir doch bei aller Streckenlänge nie vergessen: Von Behringen nach Hütscheroda ist es genauso weit wie von Hütscheroda nach Behringen, und das, obwohl es ganz andere Strecken sind, die wir da zurücklegen.
Deshalb, liebe Verunglimpfte, lasst mich zum Schluss das Glas auf unsere Niederungen und Höhen, auf die Jugend in Ost und West, die Frauen aus Gips und aus Fleisch und Blut erheben und darauf trinken, dass alles beim Alten bleibt. Bleibt pünktlich, nicht nur im Adventsspiel und Prost Neujahr.

Kreisjugendpfarrer Jochen Franz